Berufsfindung – Was wirklich hinter deinem Berufswunsch steckt
- von Daniel Plotetzki
Den richtigen Beruf zu finden, ist nicht immer einfach. Oft entscheiden wir aus dem Bauch heraus, aufgrund von dem was andere sagen, oder anhand von dem, was wir durch Familie, Freunde oder Bekannte kennen. Selbst wenn wir anfangen, uns oberflächlich damit zu beschäftigen, was der richtige Job für uns sein könnte, sind die Kriterien meist nur wenig bis überhaupt nicht klar.
Wenn ich in meinen Karriereberatungen die Kunden einleitend frage, was für sie in ihrem zukünftigen Job wichtig ist, antworten viele mit dem Wort „Geld“. Ab da beginnt für den Klienten dann erstmal eine lange und beschwerliche Reise, um herauszufinden, was ihm tatsächlich wichtig ist.
Versteht mich bitte nicht falsch. Das Finanzielle ist für die eigene Lebenshaltung ein wichtiger Aspekt und für einen Hungerlohn kann die Tätigkeit noch so ansprechend sein – langfristig wird man dort trotzdem nicht glücklich, wenn sich die Gedanken nur um die Existenzsicherung drehen. Doch am Ende gehört eben mehr dazu als nur das Monetäre, damit wir in unserem Beruf glücklich sein können.
Was beeinflusst unsere Entscheidung?
Hier ein paar gängige Entscheidungsbegründungen:
„Ich möchte viel Geld verdienen.“
„Ich möchte einen Job, der mich fordert und wo ich mich weiterentwickeln kann.“
„Ich mach das, was ich die letzten 15 Jahre gemacht habe. Das kann ich.“
„Ich möchte Karriere machen und in eine Führungsposition.“
„Ich möchte in die Automobilbranche.“
„Ich möchte anderen Menschen helfen. Also werde ich Arzt.“
Diese Begründungen sind, was an der Oberfläche bei uns ankommt. Darunter stecken jedoch viele unbewusste Prozesse und Einflussfaktoren. Der Einfluss, welchen Job wir ausüben, fängt bereits im Kindesalter an. Durch die Eltern bekommen wir meist schon intensiv etwas über die Berufswelt mit. Was machen meine Eltern? Wie sprechen sie über ihren Job? Wie beeinflusst das unser Familienleben? Hier wird unser Gehirn bereits mit Informationen über Berufe gefüttert. Später ist die Schule Dreh- und Angelpunkt unserer (un-)bewussten Berufsfindungsprozesse. Durch die Noten in der Schule bekommen wir eine Bewertung unserer „Fähigkeiten“ serviert. Frei nach dem Motto: „Worin (Schulfach) bin ich gut?“ entwickeln wir Vorlieben oder Abneigungen. Schulnoten und Schulfächer sind hier für die spätere Berufsfindung leider oft nicht zielführend. Mit der weiteren Entwicklung werden die Peer-Groups für die Werte und Entscheidungen immer wichtiger. Wir fangen an, gezielt nachzufragen, was der ein oder andere Freund später so machen möchte. Die Eltern sind natürlich weiterhin die treibende Kraft, wenn es darum geht, ihre Erwartungen & Wünsche auf das Kind zu projizieren. Dann kommt während der Schulzeit noch ein- zweimal die Agentur für Arbeit vorbei, um ein paar Jobs vorzustellen und damit sind wir dann bereit, unseren Traumjob zu finden, richtig?
Was sagt die aktuelle Forschung zu diesem Thema?
Die aktuellen Ergebnisse der Forschung des Bundesinstituts für Bildungsforschung (BIBB) bestätigen, dass vor allem Jugendliche ihre Berufsentscheidung oft unterbewusst und nach einseitigen Kriterien auswählen. Dabei besonders relevant ist die soziale Anerkennung des Berufs und damit die Meinung des Umfelds (Freunde, Familie) über das jeweilige Berufsfeld. Auch heute sind Geschlechterrollen innerhalb des Berufsspektrums noch entscheidungsrelevant. Wenn ein Beruf als typisch männlich oder typisch weiblich kategorisiert wird, ist es unwahrscheinlicher, dass beispielsweise eine weibliche Jugendliche einen typisch männlichen Beruf anstrebt. Dabei wird oft außer Acht gelassen, welche Tätigkeit für die jeweilige Person tatsächlich geeignet sein könnte. Ein weiterer Entscheidungsfaktor ist laut Forschung die relative Höhe des Einkommens. Wird ein Beruf im näheren sozialen Umfeld als schlecht bezahlt angesehen, so ist die Wahrscheinlichkeit abhängig von der Höhe des Einkommens höher, dass dieser abgelehnt wird. Die Forschung geht aktuell davon aus, dass man vor allem mit früher, facettenreicher Informationsvermittlung und aktives Ausprobieren von möglichst unterschiedlichen Berufen diesen Entscheidungsbias entgegenwirken kann.
Was macht eine „gute“ Berufswahl aus?
Eine gute Berufswahl zeichnet sich dadurch aus, dass wir möglichst informiert eine eigene und vor allem bewusste Entscheidung mit möglichst wenig Beeinflussung von außen getroffen haben. Diese Entscheidung sollte mehrere Aspekte und Information über eure eigene Person beinhalten. Wir können natürlich viel ausprobieren und uns selbst dort erleben und anhand dessen eine Bewertung abgeben, aber wir wissen längst, dass die Berufsperspektiven mittlerweile so umfangreich geworden sind, dass wir während unserer Lebenszeit niemals alles ausprobieren können. Somit sind wir dazu gezwungen, eine Vorselektion vorzunehmen. Oft wird in diesem Zusammenhang danach gefragt: „Was macht dir denn Spaß?“ Ich finde diese Frage jedoch etwas zu einfach gedacht. Das klingt auf den ersten Blick vielleicht eigenartig, aber ich bin der Meinung, dass nicht alles, das einer Person Freude bereitet, beruflich umgesetzt werden kann und sollte. Im Hintergrund gibt es so viele Faktoren, die uns den Traum von „Hobby zum Beruf machen“ wieder versauen können. Hier spielen der Charakter und die persönlichen Werte eine ganz große Rolle. Wer beispielsweise gern zeichnet und illustriert, der könnte ja sein Glück als freischaffender Illustrator versuchen. Wenn diese Person aber charakterlich eher sicherheitsorientiert ist und gern einen geregelten Tagesablauf und Arbeitszeiten hat, gestaltet sich diese Idee schon wieder als schwierig. Vor allem, wenn ich viel Wert auf die Zeit mit der Familie lege und hier auch genügend Platz dafür schaffen möchte, ist eine Selbstständigkeit oft eher hinderlich. Jetzt bin ich vielleicht charakterlich vom Typ des Partizipators, der gern in einem Team fungiert und plötzlich scheint das stundenlange Sitzen im Elfenbeinturm als freischaffender Künstler sogar eher als Qual. Doch oft fällt uns all das erst dann auf, wenn wir schon mal in der Situation waren und gemerkt haben, dass das doch nicht so ist, wie wir uns das vorgestellt haben. Das Bild, das wir von uns und von unserer möglichen Zukunft haben, ist oft voll mit Definitionslücken, die automatisch gefüllt werden. Das Meiste, das uns beeinflusst, hat es nämlich oft nicht einmal in unser Bewusstsein geschafft.
Was bedeutet das jetzt zusammengefasst?
Das Ziel einer guten Berufsfindung ist, sich einem Teil der unbewussten Aspekte unserer Person bewusst zu werden. „Etwas Licht ins Dunkel bringen“, sozusagen. Dabei helfen uns Ankerpunkte, wie Persönlichkeit (beispielsweise nach den BIG 5), persönliche Werte, Überzeugungen, Erfahrungen und Ziele, die es uns erleichtern, über unsere oft schwer greifbaren Facetten Gedanken zu machen. Als letzten Punkt sollten wir nie außer Acht lassen, dass alles, wofür wir uns entscheiden, Auswirkungen auf unser Umfeld hat. Familie, Freunde, Hobbys werden immer mit beeinflusst. Wenn ich für einen Job nach Amerika ziehe, nehme damit immer in Kauf, dass vorher intensive Freundschaften so in dieser Form vielleicht nicht mehr gelebt werden können. Die Familie muss ebenfalls oft zurückstecken, wenn ich die Karriereleiter nach oben steige und deshalb oft Überstunden machen muss. Wir nehmen das oft selbstverständlich und billigend in Kauf, obwohl mittlerweile auch aus der Forschung klar ist, dass das soziale Umfeld einen großen, positiven Einfluss auf unsere Resilienz und unser allgemeines Wohlbefinden hat. Sich wissentlich davon zu distanzieren, sollte also ebenfalls wohl überlegt sein.
Wieso brauchen wir mehr gezielte Berufsorientierung?
Es gibt über 320 anerkannte Ausbildungsberufe in Deutschland. Davon schaffen es aber nur die Wenigsten überhaupt in die engere Auswahl. Viele Berufe sind den meisten Menschen nicht mal bekannt. Damit haben wir bei ein paar wenigen Ausbildungsberufen eine große Konkurrenz, während es in anderen Bereichen sehr schwierig ist, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Mit einer umfangreicheren Berufsorientierung unterstützen wir nicht nur weniger präsente bzw. auf den ersten Blick weniger attraktive Branchen und Tätigkeitsbereiche, sondern sorgen auch dafür, dass viele Menschen weniger Umwege machen müssen, um an ihren „Traumjob“ zu kommen. Gegen gelegentliche Umwege spricht zwar erstmal nichts, aber oft wird es mit steigendem Alter Zusehens schwieriger, neu anzufangen. Umschulungen kosten viel Geld und die Chance bekommen in der Regel nicht viele. Doch ohne Unterstützung ist die finanzielle Abhängigkeit von einem Vollzeitjob oft so groß, dass ein Zurückgehen in eine Ausbildung oder in ein Studium mit den zusammenhängenden, finanziellen Einbußen nicht mehr möglich ist.
Wie können uns Andere bei der Berufsfindung unterstützen?
Angebote zur Berufsorientierung gibt es viele. Von der Arbeitsagentur angefangen bis hin zu Schulinitiativen und die Thematisierung im Unterricht bemüht sich die staatliche Seite um für alle zugängliche Angebote. Jedoch gehen diese in den wenigsten Fällen wirklich in die Tiefe und beschäftigen sich meist nicht mit den individuellen Voraussetzungen eines jeden Einzelnen. In meiner Schulzeit beispielsweise ist es selten über einen kurzen Vortrag und Berufe-Googeln hinausgegangen. Doch gerade bei diesem Thema lohnt es sich, bei jeder Person genau hinzuschauen. Woher kommen die Einstellungen zu den Berufen und den bewussten, eigenen Stärken? Deckt sich das berufliche Ziel mit den eigenen Interessen & Stärken? Welche Personen beeinflussen die Berufswahl und in welcher Form? Um sich dieser Aspekte wirklich bewusst zu werden, braucht es oft eine professionell ausgebildete Person, die gelernt hat, diese Informationen gezielt im Einzelgespräch herauszuarbeiten. So kann wirklich gewährleistet werden, dass möglichst viele entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung stehen und die Berufsfindung nicht zum Glücksfall wird.
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